– 3 – Ede Ceh Fortsetzung

Teil 3 Spaltung

Erläuterungen:

zur Chemie und Technologie der nächsten Verfahrensstufe der Spaltung. Die Reaktion der Aufspaltung des EDC in VC (V) und HCl erfolgt in einem Röhrenofen in der Gasphase bei circa 25 bar und 500 °C. Die Reaktionsgleichung lautet:

C2H4Cl2 (C)    —->    C2H4Cl (V)   +   HCl

Bei diesem Prozess muss Wärme zugeführt werden. Da sich das C außerdem nur zu 50 % umsetzt, ist eine aus drei Kolonnen bestehende Destillation erforderlich, die das Dreikomponentengemisch in C, V und HCl trennt.

Story:

„Keine Ah …“, weiter kam Ede Blue nicht, denn er geriet zusammen mit Ede Green und Orange in einen starken Sog und plötzlich platzte ihm bald der Schädel.

„Wow, so zusammengepresst wurde ich ja noch nie. Das kann ja heiter werden.“ Doch auch Ede Blue war ein zäher Bursche und durch die Destillationen abgehärtet, sodass er den Schock schnell überwand. Aber es ging erst richtig los, zum Druck kam nun auch noch Wärme, viel Wärme dazu. Erst in zwei Stufen dezent, doch dann bekam Ede Ceh im wahrsten Sinne des Wortes Feuer unterm Arsch und schwups wurde er wieder einmal gasförmig. Doch damit nicht genug, die Wärme wurde immer größer und größer. Ede Blue riss sich zusammen, um nicht aufgespalten zu werden, was offensichtlich jeder zweite seiner Kumpel, auch Greene und Orange freiwillig taten. ‚Freiwillig?’, dachte Ede Blue, ‚auf gar keinen Fall!’ und er strengte sich gewaltig an, seine Einzelteile zusammenzuhalten. Allerdings konnte er beobachten, wie aus einem gespaltenen Ede Ceh je ein Ha Ce-el und ein Vau Ceh entstand. Ede Blue aber schaffte es durch das verhältnismäßig dünne, zum Ende hin immer heißer werdende Rohr, ungeschoren hindurch zukommen, um dann plötzlich so brutal abgekühlt zu werden, dass er sich sofort wieder verflüssigte. Ehe Ede sich besinnen konnte, traf ihn erneut das Schaufelrad einer Pumpe, er landete in einer Destillationskolonne und bewegte sich sofort nach unten. ‚Verdammt’, dachte er, ‚hier sind ja nur noch Cehs von der anderen Sorte’, aber die Ha Ce-els waren beinahe alle verschwunden. Es gab keine Zeit zur Besinnung, sofort ging es weiter in die nächste Kolonne, in der es zur Abwechselung mal wieer aufwärts ging, doch auch hier dauerte der Aufenthalt nicht lange und Ede Blue landete in der dicken Berta. Als ihn da seine Artgenossen der Sorte Green und Blue aufmerksam mit fragendem Lächeln musterten, wusste er, dass er wohl seine Farbe gewechselt haben musste und nun Orange geworden war. Den Weg durch die dicke Berta kannte er ja schon, aber das gefiel ihm gar nicht mehr, noch einmal sollte ihm das nicht passieren. ‚Jetzt weiß ich auch, warum die anderen sich haben spalten lassen, verdammt. Und warum der Ede Orange so gnatzig war. Ob ich den alten Ede Green im Feedtank wiedertreffe?’ Diese Frage würde er in kurzer Zeit beantworten können, denn schon war er am Kopf der Kolonne als Gas angekommen, wurde gleich danach wieder Flüssigkeit und getrieben vom Kreiselrad der Rückflusspumpen landete Ede Blue – inzwischen Orange – im Feedtank. Sofort umgab ihn angenehme Ruhe. Ede Orange – alias Blue – streckte und entspannte sich. Er hielt Ausschau nach Ede Green, dem sollte nicht dasselbe wie ihm passieren. ‚Eigentlich könnte das doch alle interessieren’, dachte Ede Orange, ‚sowohl Green als auch Blue.’ Also fuhr er laut fort, „hört mal zu Freunde in grün und blau. Wenn ihr von hier weg und nicht wieder zurückkommen wollt, dann zögert nicht euch auf eurem bevorstehenden Weg, spalten zu lassen. Da könnt ihr wählen zwischen Ha Ce-el und Vau Ceh. Wer sich wehrt, landet wieder hier als Ede Orange. So, nun wisst ihr Bescheid. Ich mache mich wieder vom Acker. Ich werde jetzt Vau Ceh – und tschüss.“ Sprach’s und ward nie mehr als Ede Ceh gesehen, denn in dem schmalen, glühend heißen Rohr wurde er tatsächlich Vau Ceh. Das fühlte sich auch nicht schlecht an, obwohl er eine innere Spannung spürte, die ihn ständig animierte, sich für irgendeine Veränderung bereitzuhalten. Es war dem Mann als Rest Ede im Vau Ceh so, als ob die Frau Ethy wieder stärker in ihm zum Zuge kam. Das war natürlich Scheiße, denn als Ede konnte er den Weibern aus dem Weg gehen, jetzt im Vau Ceh schleppte er sie immer mit sich herum. Na ja, es hatte auch seine guten Seiten. Er brauchte sich nun nicht mehr selbst befriedigen. Als Gas überstand Vau Ceh auch den Kälteschock in der Quenche und verließ diese immer noch als Gas. Auch den ersten Wasserwärmetauscher passierte Vau Ceh ungeschoren, obwohl ihm als Gas schon ganz schön kühl geworden war. Doch dann wurde es so eisig, dass auch Vau Ceh flüssig wurde und in einem Behälter landete. Die meisten von den mit ihm in diesem Topf angekommenen Ha Ce-els verabschiedeten sich gleich wieder aus der Flüssigkeit und verließen als Gas nach oben hin den Behälter in Richtung HCl-Kolonne, während Vau Ceh über eine andere Rohrleitung auch dort, aber ein paar Böden tiefer, landete. Hier zog es ihn auch gleich weiter abwärts, wo er nach kurzer Zeit seine alten Kumpel, inzwischen alle schon zu Ede Orange mutiert, wiedertraf. Natürlich erkannten sie ihn nicht mehr, aber Vau Cehs weiblicher Tatsch zog ihre Blicke an. Manche Edes versuchten ihn zu begrabbeln, aber die Turbulenz auf den Böden ließ Gott sei Dank ein längeres Verweilen nicht zu. Im Handumdrehen waren Ede Ceh und Vau Ceh im Sumpf angekommen, strömten sofort in die nächste Kolonne und hier trennten sich ihre Wege, sodass Vau wieder seine Ruhe hatte, obwohl auch noch einige Ha Ce-el hier mit herumgondelten. Allerdings interessierten die sich kaum für Vau Ceh. Die waren wohl mehr auf Aggression aus, denn Vau sah, wie die Ce-els immer wieder versuchten, sich in das Material der Böden oder gar der Wandung der Kolonne hineinzufressen. Meistens gelang ihnen das nicht, sie blitzten einfach von dem Metall ab. Aber einmal beobachtete Vau, wie ein Ha Ce-el zusammen mit Hazwei Oxygen und Zwei Oxygen, wo auch immer die hergekommen waren, eine Kerbe in die Wandung eines Bodens fraß. Dabei bildete sich Eisenzweichlorid und etwas tiefer in der Kolonne bei höherer Temperatur Eisenoxid. ‚Typisch Ha Ce-el’, dachte Vau, der von diesem aggressiven Verhalten schon vorher gehört hatte. Er wunderte sich also nicht, als er nach dem langen Weg durch die große Kolonne noch in eine andere, einen sogenannten Stripper, befördert wurde. Hier musste Vau wieder aufpassen, dass er nicht mit nach oben gerissen und dadurch wieder in die HCl-Kolonne zurücktransportiert wurde. Einmal passierte ihm das, doch beim zweiten Mal war er aufmerksamer und gelangte gleich in den Sumpf des Strippers, in dem er keine Ha Ce-els mehr erkennen konnte. Ohne lange zu verweilen, ging es weiter durch eine, wie es Vau schien, sehr lange Leitung und plötzlich kam er in einen riesigen Raum. Erst später merkte er, dass die Wände hier kugelförmig gebogen waren und noch etwas fiel ihm auf: Einige seiner Artgenossen, wenn auch sehr, sehr wenige, drängten sich ständig aneinander. Vau spürte, dass dieser Drang auch in ihm, allerdings minimal, vorhanden war. ‚Donnerwetter’, dachte Vau, ‚jetzt kleben die zwei ja total zusammen.’ Und er beobachtete auch, wie noch ein anderer Vau dazu kam und noch einer, bis sie alle zusammen eine kleine Kette gebildet hatten. Das Gebilde sah jetzt aus, wie glasklares Gelee und sank langsam nach unten auf den Boden. Als Vau viel später wieder einmal am Boden vorbeikam, fiel ihm der weiße Staub auf. Doch da wusste er noch nicht, dass das Poly Vau Ceh (PVC – PLAST) darstellte und seine Zukunft sein würde, allerdings erst im großen Reaktor in der nächsten Fabrik.