Philosophie

Vielleicht kann man seine eigene Philosophie, seine Weltanschauung, oder, anders ausgedrückt, das eigene Verständnis vom Leben des Menschen, am besten zum Ausdruck bringen, wenn man versucht, für sich selbst den Sinn des Lebens zu formulieren.

Dafür scheint es mir eine Grundvoraussetzung zu sein, dass man eine klare Vorstellung von Freiheit hat, die nicht ohne Einsicht in Notwendigkeiten auskommt, die aber gewährleistet, dass der Mensch den Sinn seines Lebens selbst zu wählen in der Lage ist.

Ich denke, dass dafür einige Grundbedürfnisse durch den Staat, erfüllt sein müssen:

  • genug zu essen und zu trinken,
  • gesicherte Gesundheit,
  • Schutz vor Schmerz, Angst und Gewalt

Dann würde ich aus meiner Sicht den Sinn des Lebens so darstellen:

  1. Sinn: Fortschreitende persönliche Entwicklung einschließlich Partnerschaft sowie das Streben nach ständiger Erweiterung der Erkenntnis und der Weitergabe von Wissen und Fähigkeiten an andere.
  2. Sinn: Fortpflanzung, Kindererziehung
  3. Sinn: Gelebte Mitmenschlichkeit im sozialen oder politischen Engagement.
  4. Sinn: Ziel ist es die stetige positive Entwicklung hin zu einer friedlichen Welt für alle Menschen zu fördern.

Für falschen Sinn des Lebens halte ich das Streben nach absoluter, unkontrollierter Macht, nach immer mehr Besitz und materiellen Reichtümern ohne Rücksicht auf Verluste, das Streben nach egoistischen Superlativen, …

„Wir verlangen, das Leben müsse einen Sinn haben – aber es hat nur ganz genau so viel Sinn, als wir selber ihm zu geben imstande sind.“  Hermann Hesse (1877-1963)

Beitrag zur Philosophie 4/16

von Anni Kloß und Max Balladu

Das Leben sinnvoll zu gestalten ist nur ein Traum?

Was wird dann aber aus:

Menschen, Tieren, Pflanzen – der Natur und Umwelt?

Die Philosophie der Autoren Anni Kloß und Max Balladu, wie sie in den Büchern, Versen, Rezensionen und Buchtipps auf dieser Website die Grundlage bilden, soll mit den nachfolgenden Gedanken fortgesetzt werden:

Die Buchläden und das Internet schütten Massen aus von unterster Triebliteratur, um nicht zu sagen Müll, in Form von Büchern, Blogs oder sonstige Mitteilungen in den sozialen Netzwerken, so dass es sehr schwer für diejenigen ist, die nicht lüstern nach Grausamkeiten, Sadismus, brutalem Sex, schwülstigen Liebesromanzen oder dramatisch-schwarzem Pessimismus sind, darunter die lesbare, unterhaltsame, den Horizont des Menschen erweiternde Lektüre zu finden. Das gilt vielleicht umso mehr, wenn sich diejenigen Leser für eine friedliche Welt, die quantitative und qualitative Annäherung zwischen armen und reichen Bevölkerungsschichten sowie einer fortschrittlichen Entwicklung der Menschheit insgesamt interessieren.

Es freuen sich diese Leser deshalb, wenn sie trotzdem fündig werden und auf ernstliche, vorwärts gewandte, kritische, einfache, humorvolle und doch kluge Bücher oder größere oder kleiner Beiträge treffen, die die eigene Auffassung von der Welt nicht nur bestätigen, sondern ergänzen, weiterführen, eben überhaupt den Horizont erweitern.

Es ist bedrückend für uns, dass der oben genannte ‚Literaturmüll‘ zustande kommt, weil Millionen Menschen – warum auch immer – genau solche Bücher und Blogs lieben. Dabei ist es weniger bemerkenswert, dass sie damit Autoren und Verlage reich machen, als die mit dieser Lektüre erfolgende Verdummung der Leser. Heute wird der Eindruck vermittelt, dass bei einem Unglück mit verletzten Personen vor allen Dingen die jungen Menschen, die Szene zuerst filmen, statt zu helfen. Wir sind sicher, dass die große Mehrheit der gegenwärtigen Generation sich anders verhält, aber in den Medien sind immer die negativen Verhaltensweisen präsent. Es scheint uns der gleiche Effekt zu sein, wie ihn die Bild-Zeitung, die von fachlich sehr guten Journalisten verfasst und raffinierten Designern gestaltet wird, erreicht. Diese Macher behaupten auch noch frech, dass sie die Meinung in Deutschland bestimmen. Leider scheinen sie damit, aber auch noch Recht zu haben

Das System der Meinungsmache funktioniert so gut, weil nur die großen, finanziell starken Medienanstalten sich mit ihren Beiträgen, ob der massiven Reklame, durchsetzen können, obwohl eigentlich jeder über alles schreiben darf, auch wenn er an den Grundfesten des Kapitalismus rüttelt, deren Kriege – und alles was damit zusammen hängt – verurteilt, oder die scharfe und wichtige Kritik an der Umverteilung des Vermögens von arm zu reich. Das geht jedoch einfach im Literatur- und Alltagsdschungel unter und so können sich nur die kapitalismustreuen Medien durchsetzen.

‚Literatur, das ist das Klopapier, mit dem sich jedes Arschloch putzt.‘, lässt Bov Bjerg (1) einen seiner Protagonisten sagen: Diese Worte richten sich auch an die scheinbar so schlauen, die Bücherlandschaft bestimmenden Leute im Literaturbetrieb.

Vor kurzem las ich eine interessante Glosse ‚Über das Lesen von Büchern‘ (2): ‚Viele, sagte Meti, sehe ich Bücher lesen, eine schwierige Kunst, die sie niemand gelehrt hat. Ihre Vorkenntnisse reichen weder aus, die Schwächen, noch die Stärken von Büchern zu erkennen. Ich will nicht von wissenschaftlichen Büchern reden, die fast immer so geschrieben sind, dass Wissen nötig ist, um Wissen zu erwerben. Aber auch die Erzählungen sind schwer lesbar. Meist erreicht der Verfasser im Handumdrehen, dass der Leser sich mehr für die Welt seines Buches interessiert, als sein Buch sich für die Welt. Er macht den Leser die Welt vergessen über dem Buch, das sie beschreiben soll. Mit einigen leicht erlernbaren aber schwer zu durchschaubaren Tricks wird eine Spannung erzeugt, die den Leser vergessen macht, was vorgeht, indem sie ihn neugierig macht, wie es weitergeht. Um weitere Lügen zu erfahren, schluckt er die schon erfahrenen. Ein Schriftsteller, der so schreibt, dass sein Leser imstande ist, das Buch ab und zu wegzulegen, um das Gelesene zu überdenken und die Gedanken des Verfassers mit den eigenen zu vergleichen, gilt als (ein) wenig schwach. Es heißt von ihm, er könne mit seinem Leser nicht anfangen was er wolle. Nach der landläufigen Ästhetik müssen die Gedanken der Verfasser überhaupt versteckt sein, möglichst schwer ausziehbar. Außerdem soll sich der Leser fragen: Was hat der Schreiber von dem, was er gewollt hat, erreicht. Nicht (ob) es richtig war zu morden, sondern ob richtig gemordet wurde, soll untersucht werden. In Wirklichkeit müssen die Bücher gelesen werden als die Schriften von Verdächtigen, die sie sind. Wie anders als mit dem äußersten Misstrauen soll man die Erzählungen von Leuten hinnehmen, die entweder mithelfen, Hilflose in gewaltigen Mengen in blutige Kriege zu treiben, oder selber hilflos hineingetrieben werden? Die das Getreide verfaulen und die Menschen verhungern lassen? Die treten oder sich treten lassen?‘

Beim letzten Stöbern fand ich den Artikel von Elisabeth von Thadden (3) über einen Besuch beim 28-jährigen Philosophieprofessor William MacAskill (4) in Oxford.

Es ist für uns immer wieder ermunternd festzustellen, dass junge Menschen, im krassen Gegensatz zu oben geäußertem Verhalten, sich nicht nur Gedanken zur Verbesserung der Situation der ärmsten Menschen machen, sondern aktiv etwas dazu tun. Auch wenn sie dadurch am grundsätzlichen Modell der Mehrklassengesellschaft scheinbar nichts ändern. Ich halte es auch nicht für wichtig, diese Art des Handelns deshalb zu kritisieren, sondern anzustreben diese Gruppe und möglichst viele andere, humanistisch gesinnte Teams, in einer Organisation, z. B. ‚Die Menschen‘, wie sie auf diesen Webseiten vorgeschlagen wird, so zu integrieren, dass bei wichtigen Problemen in der Weltpolitik, gemeinsam gehandelt werden könnte. In jedem Fall ist die Herangehensweise der jungen Wissenschaftler um MacAskill sehr interessant und regt zum eigenen Handeln an.

Die von Singer (5), auf den sich MacAskill stützt, formulierten zentralen Elemente des Effektiven Altruismus (EA), mit dem sich der Artikel befasst, enthalten genau jene Kategorien, die Balladu und Kloß auf ihrer Webseite mensch0815 ebenso benannt haben, aber hier, bei Singer und MacAskill, sind sie mit mehr Inhalt gefüllt:

Geld: Effektives Spenden

Zeit: Ethische Berufswahl

Meta (zusammen mit): Wachstum der EA-Bewegung

Globale Probleme: Wo kann ich am meisten bewirken?

MacAskill (4) betont, dass der Effektive Altruismus nicht überfordern darf, was ich so interpretiere, dass jeder nur so viel spenden, helfen soll, wie er verkraften kann, ohne sich überfordert zu fühlen.

Wir müssen der Empathie, also der Fähigkeit und Bereitschaft, Gedanken, Emotionen, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen und zu verstehen, wieder mehr Aufmerksamkeit schenken. Dazu gehört auch die Reaktion auf die Gefühle anderer Menschen, wie zum Beispiel Mitleid, Trauer, Schmerz oder dem Impuls zu helfen. Grundlage ist dafür die Selbstwahrnehmung. D. h. je offener man für seine eigenen Emotionen ist, desto besser kann man die Gefühle anderer deuten.

Dabei kann es nicht schaden, wenn man, auf sich selbst bezogen, sich die Worte Metis zum Ideal eines Mannes in früheren Zeiten (ich denke für Frauen trifft das genauso zu) ab und zu durch den Kopf gehen lässt (6):

‚Den Kopf behalten, wenn alle ihn verlieren; sich selber vertrauen, wenn alle an einem zweifeln; aber ihnen ihre Zweifel erlauben; warten können und nicht müde werden vom Warten; darüber Lügen hören, aber nicht teilnehmen an den Lügen; oder gehasst werden und keinen Grund dazu geben und doch nicht zu gut aussehen und nicht zu weise reden; träumen können und nicht von Träumen beherrscht werden; denken können und Gedanken nicht zu seinem Ziel machen; Triumph und Unglück treffen und diese beiden Betrüger gleich behandeln; ertragen können die Wahrheit, die man gesprochen hat, verdreht zu hören von Schurken, die daraus eine Falle für Leichtgläubige machen; die Dinge zerbrochen sehen an die man sein Leben gab, und sich bücken und sie wieder zusammenflicken mit abgenutzten Werkzeugen; einen Haufen aus allen seinen Gewinnen machen können und ihn riskieren an einem Wurf; und verlieren und wieder von vorne anfangen und niemals ein Wort sagen über seinen Verlust;‘

Empathie spielt in vielen Wissenschaften und Anwendungsbereichen eine fundamentale Rolle, von der Kriminalistik über die Politikwissenschaft, Psychotherapie, Psychologie, Physiologie, Physiotherapie, Pädagogik, Philosophie, Sprachwissenschaft, Medizin und Psychiatrie bis hin zum Management oder Marketing.

Bei vielen Menschen taucht ein ähnlicher Gedanke auf, wie ihn Balladu und Kloß mit der verbindenden Organisation ‚Die Menschen‘ beschrieben haben. So wurde zum Beispiel in einem Interview der Sänger Konstantin Wecker (7) von einem Journalisten gefragt: ‚Wie könnte eine friedliche Revolution in der Gesellschaft, der Wissenschaft und der Politik aussehen?‘

Wecker antwortete: ‚Wir wollen keine Guillotinen errichten, sondern durch die Vernetzung von vielen gutwilligen Menschen ein anderes Bewusstsein schaffen.‘

Wir denken, dass mit Hilfe der ‚vernetzten Menschen‘ viele Handlungen zum Nutzen der Ärmsten noch effektiver vollzogen werden könnten. Außerdem würden sie ein wenig Ordnung schaffen im oben erwähnten Literatur- und Alltagsdschungel und könnten letztlich auch eine Grundlage bilden, um die kapitalistische Welt, die von 1 % der reichsten Menschen beherrscht wird, revolutionär – und – demokratisch – zu wandeln.

 

Literatur:

  • Bov Bjerg, S. 47; in Das Auerhaus, Aufbau Verlag, 2015, E-Book.
  • Bertolt Brecht, Me-ti/Buch der Wendungen; Gesammelte Werke in 20 Bänden, Band 12, Prosa 2, Seite 561/562; Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1967
  • Elisabeth von Thadden – Besser so? –

Artikel in Zeit – Literatur, Nr. 13, März 2016

Den vollständigen Artikel finden Sie, wenn Sie hier klicken.

  • William McAskill – Gutes besser tun (Doing Good Better) – Effective Altruism And a Radical Way to Make a Difference.

Ullstein Verlag, Berlin 2016

  • Peter Singer – Effektiver Altruismus – Eine Anleitung zum ethischen Leben; Suhrkamp Verlag, Berlin 2016
  • Bertolt Brecht, Me-ti/Buch der Wendungen; Gesammelte Werke in 20 Bänden, Band 12, Prosa 2, Seite 566; Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1967
  • Konstantin Wecker, Interview in der MZ, vom 7.4.2016 Seite 23