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Fortsetzung Videolesung Buch 10 2. Band zu ‚Tote brauchen keinen Himmel‘

Videos zur Lesung ‚Tote brauchen keinen Himmel‘

Feb19

H. F. Moritz und Max Balladu

lesen aus dem 2. Band des Romans von Max Balladu:

‚Tote brauchen keinen Himmel‘

Diese Videos finden Sie über den Link: https://www.youtube.com/watch?v=r_v5RW8OONQ

und https://www.youtube.com/watch?v=7-Jxm3DsanI

Weitere Videos über Bücher von Max Balladu finden Sie auf YouTube über den Link: https://www.youtube.com/results?search_query=max+balladu

E-Book ‚Tote brauchen keinen Himmel‘ verfügbar.

Der zweibändige Roman von Balladu ‚Tote brauchen keinen Himmel‘, ist ab sofort als E-Book verfügbar. Bis zum 4. Februar in einer Sonderaktion preiswert zu erwerben:

Band 1 für 4,99 €

Band 2 für 4,49 €

Buch 10: ‚Tote brauchen keinen Himmel‘

Hallo liebe Lesefreunde!

 Das 10. Buch von Max Balladu ist ein Roman in zwei Bänden, die in je zwei Teile aufgegliedert sind. Der Titel lautet: 

‚Tote brauchen keinen Himmel‘

Band 1

 

 

Band 2

Buchlesungen finden im Januar statt.

Beide Bände sind im Online-Buchhandel verfügbar.

Preise:

Band 1    19,99 €

Band 2   15,99 €

Zwei Wege sind‘s…

Zwei Wege sind‘s…

von Anni Kloß und Max Balladu *)
Zwei Wege sind’s. Einer führt rundherum.
In Gedanken, der andere lässt, dich starten,
Zu ahnen, welches Ziel sei zu erwarten.
Folgt ihm nicht nur blind und stumm.

Träumt! Aber dreht Euch nicht um.

Nacht und Nebel; die Bagage zog, trara,
samt ganzem Heere am Wald vorüber.
Er aber hob den Blick von der Cithara
und spielte noch und sah zu ihr hinüber.

Spiel! Aber erwarte Sie nicht.

Nicht alle Schmerzen sind heilbar,
Denn manche sich schleichen,
Während Jahre verstreichen,
Tiefer in das Herz, werden unteilbar.

Weine! Doch ohne zu weichen.

Wir werkeln, doch verzetteln uns lange,
Stolz mit Ideen um uns werfen. - Ins Licht.
Wir blicken zurück, bange.
Rauch verdeckt das Feuer in uns. - Die Pflicht.

 Werkle! Aber rühme dich nicht.

Mutter, wenn die Wälder und Hecken
Den Ort deiner Kinder verstecken,
Sie winken aus jenseitigen Weiten.
Dein Herz pocht für sie, zu allen Zeiten.

Winke. Aber weine nicht.
*) Rilke, Huch, Bachmann inspirierten.

Zehn ‚Prinzipien der Kriegspropaganda‘

Bereits nach dem Ersten Weltkrieg arbeitete Baron Arthur Ponsonby, ein englischer Diplomat, zehn ‚Prinzipien der Kriegspropaganda‘ heraus, die ihre Gültigkeit bis heute nicht verloren haben. Sie lauten:

  1. Wir wollen den Krieg nicht.
  2. Das gegnerische Lager trägt die Verantwortung.
  3. Der Führer des Gegners ist ein Teufel.
  4. Wir kämpfen für eine gute Sache.
  5. Der Gegner kämpft mit unerlaubten Waffen.
  6. Der Gegner begeht mit Absicht Grausamkeiten, wir nur versehentlich.
  7. Unsere Verluste sind gering, die des Gegners enorm.
  8. Künstler und Intellektuelle unterstützen unsere Sache.
  9. Unsere Mission ist heilig.
  10. Wer unsere Berichterstattung in Zweifel zieht, ist ein Verräter.

Erdgasausfall

 1. Auszug aus Balladus neuem Roman ‚Tote brauchen keinen Himmel‘

V-Fabrik, Mittwoch, 23. Januar 2017

„Haben die Yankees doch tatsächlich diese Pappfigur Trump zum Präsidenten gewählt“, schnaufte Hossa, „ich fasse es immer noch nicht!“ Er warf seinen Helm polternd auf den Boden und ließ sich auf einen Stuhl fallen.

Während die anderen Operatoren gleichgültig blieben, erwiderte Balla in der für ihn typischen Art, „ne janz schön teure Pappfigur, millionenschwer“, Balla präsentierte soldatisch sein Plasterohr, „vielleicht liegt aber gerade darin eine – versteckte – Gefahr?“

„Du denkst an Nordkorea, Emil?“ fragte die Paulus.

„Vielleicht sogar schon bald,“ meldete sich Jonny Adler zu Wort, „hört mal, was ich gerade im Internet gefunden habe: ‚Die USA verlagerten vier ihrer insgesamt 19 Flugzeugträger ins Japanische Meer. 600 Marines wurden in Goseong in der Provinz Gangwon im Nordosten von Südkorea stationiert. Für die nächste Woche waren nördlich von Seoul Manöver der südkoreanischen Streitkräfte mit U. S. Army und U.S. Navy geplant. Die nordkoreanische Volksarmee konzentrierte einen Teil ihrer Landstreitkräfte südlich der Städte Kosong, Pyonggang, Chorwon, Kaesong und Yonan. Obwohl China angekündigt hatte sich aus dem Konflikt herauszuhalten, verlagerten auch sie zumindest einen Teil der gruppenunabhängigen Luftlandetruppen nach Yanbian in den grenznahen Bereich zu Nordkorea und Russland.‘ Ist das nicht der blanke Wahnsinn?“

„Ein Atomkrieg, Leute,“ Emil stöhnte theatralisch, „dann war es wohl nicht zu früh, dass ich mein Testament aufgesetzt habe.“

„Du bist ein Arsch Balla,“ schnaufte Günther Hossa, „was hast du alter Sack denn zu vererben?“

„Das Schlimme ist doch immer“, unterbrach die Paulus ärgerlich das Geplänkel zwischen den zwei Freunden, „diese Großkopferten Milliardäre befehlen den Krieg und lassen dann die anderen, die Kleinen die Dreckarbeit machen!“

„Und vor allen Dingen dürfen sie, die Kleinen, also wir, sterben,“ ergänzte Balla, „für die Reichen und künstlich Schönen, wie unser Doc – Marx hab ihn selig – immer gesagt hat, sie lassen…“

„Äh Leute!“, meldete sich lautstark die kleine Streller, „am Baueingang ist gerade das Signal Erdgasdruck ‚Tief‘…“

„Ich nehme die flüssigen Rückstände hoch“, sagte Adler sofort, weil er blitzschnell festgestellt hatte, das kein Fehlalarm vorlag, sondern der Druck tatsächlich abfiel. „Passt auf die Spaltung auf!“, fügte er noch schnell hinzu und konzentrierte sich dann ganz auf die Rückstandsverbrennung.

„Susanne du übernimmst Spaltung 1“, sagte die Paulus ruhig und bestimmt, „dann kann Tanja sich auf die Zweite konzentrieren. Ich informiere die Ingenieure.“

Die amtierende Schichtleiterin Eva Paulus rollte mit ihrem Arbeitssessel zum Telefon, doch bevor sie das Mobilteil aus der Basisstation herausnehmen konnte, klingelte der Apparat.

„Jetzt kommt bestimmt die Erklärung, Eva“, sagte Adler, während die Frau das Gespräch annahm.

Die Paulus lauschte, ohne etwas zu sagen, legte den Hörer wieder zurück und stand auf. „Es gibt einen Schaden an der Erdgasleitung zwischen Teutschenthal und unserem OPA-Werk. Wir stellen beide Spaltöfen ab. Du Jonny versuchst so lange, wie möglich, die Verbrennung in Gang zu halten.“

„Kein Problem“, sagte Adler, „ich helfe Tanja die V-Destille 2 in Gang zu halten.“

„Okay Jonny, mach das.“ Sie drehte sich um, „Emil, Günther …“

„Sind schon unterwegs“, kam Balla der Frau zuvor.

Hossa zeigte auf seinen Freund. „Du Spaltung1?“

„Aye, aye, Sir!“

Die beiden Männer verließen schnell den Kontrollraum.

Noch bevor sich die Tür wieder schloss, betraten Harry Kupfer und Michael Stolz die Messwarte und gingen mit fragendem Blick auf die Paulus zu.

„Ihr habt wirklich den siebten Sinn“, sagte die Frau lächelnd, „Erdgasversorgung ist ausgefallen. Wir stellen gerade die Anlage ab!“

„Quatsch siebter Sinn,“ brummte Klaeske und ging dichter an die Bildschirme heran.

„Die neue Technik, Eva,“ flüsterte Stolz erklärend der Paulus ins Ohr, „ich habe das auf meinem Laptop mitbekommen.“

Ohne weitere Worte ging Stolz weiter zu den Prozessleitstationen von Tanja, während Kupfer bereits Jonny über die Schulter schaute, um zu sehen, ob die Verbrennung noch lief. Stolz sah Tanja zu, wie sie gemeinsam mit Jonny, der nur noch ab und zu einen Blick zur Verbrennung warf, die V-Destillation 2, die nun in sich betrieben werden musste, wieder ins Gleichgewicht brachte.

„Ich wundere mich nicht, dass Stumpfberg in Rente gegangen ist, Harry“, sagte Stolz, „das läuft hier ja alles wie geschmiert.“

Der 35-jährige Michael Stolz war ein stattlicher Mann, groß, breitschultrig, mit kräftiger, athletischer Figur, lockeren, halblang geschnittenen, dunkel-braunen, leicht rötlichen Haaren. Das Barthaar wäre bei ihm rot geworden, aber von Barttragen hielt er ohnehin nichts. Stolz war in Mainz geboren worden, hatte dort auch die Schule bis zum Abitur besucht. Seine Wehrpflicht konnte er mit einer Längerverpflichtung bei der Marine absolvieren. Von 2007 an studierte er Verfahrenstechnik in München und ging nach erfolgreichem Abschluss zur Firma Boechst nach Knappsack in die dortige B-Anlage. Am 1.9.2014 wechselte er zu OPA Industrial nach Halle und wurde in der V-Fabrik Fachingenieur für den V-Teil der Anlage.

„Geschmiert“, murmelte Kupfer mürrisch und zeigte mit der rechten Hand in Richtung Ausgang, der zur Anlage führte, „geschmiert wurde da draußen bestimmt schon lange nichts mehr.“

„Apropos geschmiert“, Stolz lachte kurz auf, „habt ihr eigentlich schon Amado informiert?“

„Bin schon dabei“, antwortete die Paulus kopfschüttelnd, weil Kupfer wieder meckern musste, verkniff sich aber eine bissige Antwort, denn sie wartete bereits darauf, dass der Chef sich meldete. Außerdem hatte sie Stolz zynische Bemerkung, die heutzutage leider immer mehr zur Realität gehörte, wieder besänftigt.

Da Amado auch nichts weiter zu dem Erdgasausfall sagte oder fragte, schob sie ihren Stuhl neben den der Cremer, die sich mit Spaltung 1 und der V-Destillation 1 herumschlug und setzte sich. „Soll ich dir die HCl-Kolonne abnehmen?“

„Ja, danke.“

Die Frauen arbeiteten still nebeneinander, bis die Anlage auf die neuen Bedingungen eingestellt war.

Susanne Cremer war eine hübsche, gut proportionierte vollschlanke Frau, der es inzwischen keine Sorge mehr machte, dass man sie für zu dick halten könnte. Die 56 Jahre alte, immer noch sehr attraktive Frau, war erstaunlicher Weise nicht verheiratet, hatte aber eine inzwischen erwachsene Tochter. Ihr ruhiger und ausgeglichener Charakter machte sie noch sympathischer. Sie redete nur, wenn sie auch etwas zu sagen hatte. Der ehemalige Anlagenleiter Dr. Prost hatte sich immer gern mit ihr unterhalten. Sie konnte auch zuhören und so wurden es mit ihr auch tatsächlich Gespräche mit Rede und Gegenrede. Als sich nach der politischen Wende 1989 die Veränderungen in der Wirtschaft abzeichneten, hatte Prost ihr, auf ihre Frage hin, geraten, vom Labor auf die Anlage umzusatteln, also Operator zu werden. Das hatte sie mit Bravour getan und nicht bereut.

Die Paulus griff wieder zum Telefon, „ich will mich mal erkundigen, wie lange die ganze Sache dauert. Hoffentlich müssen wir nicht die gesamte Anlage abstellen.“ Während sie sprach wählte sie die entsprechende Nummer, hielt den Hörer ans Ohr und lauschte.

„Teutschenthal, gutes Timing, Eva. Gerade habe ich die Information bekommen. Das Leck haben sie gefunden. Wir stellen um auf die zweite Versorgungsleitung. Das wird etwa eine Stunde dauern. Okay für euch?“

„Wir wollen es hoffen, weil wir für die Rückstandsverbrennung immer Erdgas benötigen, denn ohne diesen Anlagenteil steht die gesamte V-Fabrik.“

„Das heißt also, dass ihr abgestellt habt?“

„Nein, noch nicht, vorerst nur die Spaltöfen. Wir versuchen mit der von Hand gesteuerten Verbrennung flüssiger Rückstände, die Anlage in Gang zu halten. Wenn uns das gelingt, bleiben die DC- und Oxi-Reaktoren weiter in Betrieb, bis der Feedtank voll ist.“

„Reicht dafür die Zeit?“

„Ja, das klappt. Ich habe gerade mal überschlagen.“

„Wunderbar. Ich melde mich, wenn wir fertig sind.“

„Warte, noch eine Frage, kommt dann bei der Inbetriebnahme der anderen Leitung zuerst nur Stickstoff?“

„Das dürfte kaum spürbar für euch sein, denn es wird alles gründlich mit Erdgas gespült.“

„Okay, hoffen wir das Beste. Und Tschüss.“

Die Paulus legte den Hörer wieder zurück aufs Telefon.

„In einer Stunde haben wir wieder Erdgas,“ sagte sie laut, damit alle Bescheid wussten und setze sich wieder neben Susanne.

Die Schichtleiterin Eva Paulus war nicht nur eine kluge Frau, die durch ihre ruhige und bestimmte, unaufdringlich wirkende, aber unmissverständliche Art auffiel, sondern auch mit ihren 62 Jahren immer noch eine attraktive Erscheinung. Ihre Intelligenz und Schlagfertigkeit sorgte für ein gutes Verhältnis sowohl zu Frauen wie zu den Männern.

Nach ein paar Minuten sagte die Paulus, „ich habe dich neulich mit dem Leiter unserer Nachbaranlage auf der Straße stehen sehen. Das soll doch ein Schotte sein. Kennst du den näher?“

„Kannst du dich noch an den tödlichen Unfall bei Plast erinnern Eva?“

„Ja, klar. Das ist doch erst vor ein paar Monaten passiert.“

„Im November, genau am Ersten.“

„Das weißt du so genau?“

„Na ja,“ sagte die Cremer zögerlich.

„Nun red‘ schon. Ich habe doch dein Gesicht da auf der Straße gesehen.“

„Genau an jenem Tag saß ich mit meiner Tochter…“

„Wie alt ist deine Tochter jetzt eigentlich schon, 25?“

„Sie ist 32…“

„Wow,“ seufzte erstaunt die Paulus.

„… ja, ja. Die Zeit vergeht rasend schnell.“

„Je älter man wird, umso schneller scheint die Zeit zu laufen,“ pflichtete die Paulus bei, „wenn man das an den Kindern misst, saust die Zeit nur so dahin und wir … egal, erzähl weiter. Du hast mit deiner Tochter wo gesessen?“

 

Merseburg, Dienstag 1.November 2016

Wir wollten im ‚Goldenen Hahn‘ zusammen Abendbrot essen. Gerade hatten wir bestellt, da kam ein mittelgroßer, schlanker Mann, der etwa in meinem Alter sein musste, ins Lokal. Mir kam der Mann bekannt vor und deshalb war ich wohl aufmerksamer und bemerkte, wie er mit dem Kellner redete, denn die Gaststube war ziemlich voll. Dennoch herrschte hier immer eine ruhige Stimmung, sicher wegen der gepfefferten Preise. Dafür lohnte es sich aber auch, hier zu speisen, denn die ausgezeichneten Küche sorgte für einen geschmacklichen Hochgenuss. Das war wohl überhaupt der Grund für den guten Besuch an fast jedem Abend. Nach ein paar Minuten kam der Kellner zu uns an den Tisch. „Bei Ihnen sind ja noch zwei Plätze frei, darf ich einen davon einem älteren Herrn anbieten?“

„Vielleicht haben sie ja auch noch einen Jüngeren – dazu?“ bemerkte meine Tochter grinsend.

„Selbstverständlich“ sagte ich schnell, sah entschuldigend zum Ober und dann kopfschüttelnd zu meiner Tochter.

Wortlos verschwand der Kellner und wenig später setzte sich der Mann, einen Gruß, den ich nicht verstehen konnte, vor sich hin brummelnd.

Nur wenig später brachte der Ober ein Bier und einen braunen Schnaps, vermutlich irgendeinen Weinbrand, in einem ziemlich großen Schwenker. Das wunderte mich. Ich sah mir den Mann, der keinerlei Notiz von uns nahm, genauer an und war mir schnell sicher, dass ich ihn von irgendwoher kannte.

„Das klang doch,“ begann Svenja flüsternd, „ich meine den Gruß unseres Tischangehörigen, vermutlich – englisch?“ und sah mich an.

‚Genau,‘ dachte ich, ‚das könnte dann vielleicht der Leiter der Plastanlage sein.‘ Und der, das glaubte ich zu wissen, war ja Engländer.

Der Ober kam sofort mit einem zweiten Schnaps, als er sah, dass sein Gast ausgetrunken hatte.

‚Oh je!‘ – Jetzt verstand ich das Verhalten. Heute Vormittag hatte es den tödlichen Unfall in der Nachbaranlage gegeben. Hatte er, der übergeordnete Verantwortliche, den schwerwiegenden Fehler zu verantworten? Doch auch wenn er nicht direkt Schuld hatte, sie wusste von ihrem alten Chef und Freund Thomas Prost, dass einen Betriebsleiter bei so gravierenden Vorkommnissen immer ein Teil der Schuld zufiel, ganz abgesehen von der moralischen Mitverantwortung. Auch uns in der V-Fabrik war ja zu Ohren gekommen, dass es ein subjektiver Fehler gewesen sein sollte, der zu dem tödlichen Unfall geführt hatte. Wollte der Mann seinen Kummer ersäufen?

„Was grübelst du Mutter?“ fragte meine Tochter. Doch ich wollte ihr nichts von der Geschichte sagen, zumindest jetzt und hier nicht.

„Gefällt dir der Mann oder kennst du Ihn?“ Ließ sie nicht locker.

‚Beides,‘ dachte ich und sagte, „ich sehe, dass er Kummer hat, ich würde ihn gerne ablenken. Aber ich weiß nicht wie?“

Meine Tochter sah mich verstehend, mit einem kleinen Lächeln an und sagte dann laut, „was meinst du, Mutter, ist das braune da in dem tollen Schwenker etwa Goldbrand?“

Für einen Moment sah es so aus, als hätte der Mann das verstanden, denn er sah kurz zu uns, aber sehr schnell senkte er den Blick wieder auf sein Glas. Er trank mit ziemlich finsterer Miene seinen Schnaps mit einem Ruck aus.

Der Ober brachte prompt den dritten Schnaps.

„Ich weiß nicht, Svenja, gab es Goldbrand nicht nur in der DDR und war das nicht eigentlich ein ziemlicher Fusel?“

„Ach was, Mutter, der schmeckte doch besser als Whisky.“

Plötzlich sah der Mann meine Tochter an, „gab es denn in der Sowjetzo…“ er brach ab, weil das Lächeln aus den Gesichtern der Frauen verschwand, „…sorry, der DDR auch Whisky?“

„Keine Ahnung,“ antwortete Svenja wieder lächelnd, „ich habe mit vier Jahren das Land verlassen, in dem ich geboren worden bin.“

Am Gesicht des Mannes wiederspiegelte sich ungläubiges Staunen, aber er schwieg. Ich hatte das Gefühl, keine Ahnung warum, dass dieses belanglose Gespräch den finster blickenden Mann, von seinen schwerwiegenden, bedrückenden Gedanken ablenken könnte. Deshalb versuchte ich den Satz meiner Tochter mit besonders freundlich klingender Stimme zu erklären. „1989 ging die Ära der DDR zu Ende und bereits 1990 gehörten wir alle zur BRD.“

„Amazing“, murmelte der Mann, „yeah – das hatte ich vergessen. Entschuldigen sie.“

„Wieso denn entschuldigen,“ platzte meine Tochter los, schwieg dann aber abrupt.

„So ein Unsinn,“ fügte ich hinzu, „man hört es doch an ihrer Aussprache, dass sie nicht von hier sind. Darf ich sie fragen woher sie kommen?“

„Ich lebe schon seit 2001 in Deutschland, aber den englischen Slang werde ich wohl nie ganz los.“ Er schwieg, dachte nach, trank einen Schluck Bier, ließ aber den Schnaps stehen.

„Entschuldigen sie, mein Name ist Finley MacAskill. Ich bin kein Engländer, ich bin Schotte.“

„Ich bin Susanne Cremer und das ist meine Tochter Svenja.“

„Deligthed,“ sagte der Schotte, sah mich an und fügte hinzu, „sie sehen sehr jung aus dafür, dass sie so eine große Tochter haben.“

Bevor ich etwas erwidern konnte, sagte Svenja nachdenklich, „Schotte? – Dann ist das tatsächlich Whisky in dem schönen Glas?“

„Ein Smokehead 18 – Ardbeg. Wenn sie wollen, I would be pleased, wenn sie diesen Whisky mit mir zusammen trinken.“ Ein leichtes Lächeln flog über das Gesicht des Mannes, dass mich mehr beeindruckte, als ich mir eingestehen wollte.

„Sorry,“ fuhr Svenja fort, ebenfalls mit einem Lächeln im Gesicht, offensichtlich hatte ihr das Lächeln des Mannes auch gefallen und vermutlich hat sie außerdem meine Empfindungen gespürt, „ich muss noch fahren, aber ich hätte schon gern einen gekostet.“

Svenja, drehte ihren Kopf zu mir, „aber du vielleicht, Mutter?“

„Nein, auf keinen Fall,“ sagte ich zu schnell, überlegte erst dann, ich wollte ja unbedingt, dass der Mann sich nicht aus Kummer besäuft, sah aber gleich, dass meine Absage die gerade erst aufflackernde Offenheit im Gesicht des Schotten sofort wieder verschwinden ließ. Also versuchte ich eine Wende, „na ja, der ist doch sicher zu stark – für mich.“

Ich sah, wie meine Tochter sich das Lachen verkniff, denn sie wusste schon, dass ich gerade harte Sachen liebte. „Probiere doch mal den Whisky, Mutter, soviel ich weiß wäre das ja Premiere für dich?“

„Das würde mich freuen, Frau Cremer. Ich kann ihnen auch versprechen, dass dieser Whisky,“ er hob sein Glas etwas in die Höhe, ließ die Flüssigkeit behutsam kreisen, „sehr weich im Geschmack ist, trotz der etwa 46 % Alkoholgehalt.“

‚Das ist ja eigentlich normal‘, dachte ich und antwortete laut, „okay, den würde ich dann doch gern probieren.“ Bevor der Mann mir antworten konnte, fragte ich schnell noch, „wie teuer ist dieser Whisky?“ und zeigte auf sein Glas.

„Das weiß ich gar nicht genau,“ er überlegte kurz, „aber ich lade sie selbstverständlich …“

„… verstehen sie mich, bitte,“ unterbrach ich ihn etwas zu hastig, „ich möchte mich…“  Ich atmetet noch einmal tief durch, um ruhiger sprechen zu können, „… auch revanchieren können.“

„Aber nein, das müssen sie nicht,“ er überlegte einen Moment, „aber wenn sie sich schon revanchieren wollen, das verstehe ich, dann mit einem Getränk, dass sie gerne trinken, okay?“

Ich dachte nach und dabei muss ich wohl eher eine abweisende Miene gezeigt haben, denn plötzlich erhielt ich einen Tritt gegen mein Schienbein. Ich sah zu meiner Tochter und die funkelte mich wild an, was ich auch ohne Worte verstand.

„Sie haben Recht Herr MacAskill …“

„Bitte sagen sie doch Finley zu mir oder, wie meine deutschen Freunde das tun, Finne.“

„Okay, mein Vorname ist Susanne. Also, ich trinke einen Whisky mit ihnen und dann trinken wir auf meine Kosten einen russischen Wodka ‚Stolitschnaja Elite‘.“

Tote brauchen keinen Himmel

Das 10. Buch von Max Balladu soll Ende 2021 oder Anfang 2022 veröffentlicht werden.

Darin erwartet die Leser:

Inhalt:

Der Roman erzählt in vier Teilen, ausgehend von drei voneinander unabhängigen Paaren, aus drei Generationen, deren Lebensgeschichten mit ihren mehr oder weniger auffälligen Verstrickungen mit Gegenwart und Vergangenheit. Der Leser lernt diese Menschen mit deren Freunden, Feinden und manchen kleinen und großen Sorgen und Freuden kennen.

  1. Zwei junge Menschen, Nina Nitz und Felix Normu, die beide im Jahr 2002 geboren wurden und zum ersten Mal in Seeleben aufeinandertreffen.
  2. Susanne Cremer, Mutter einer erwachsenen Tochter und der geschiedene Schotte, Vater zweier Söhne, Finley MacAskill, treffen in Merseburg aufeinander.
  3. Die dreißigjährige Medizinerin Dorothea Ruge und der fünf Jahre ältere Ingenieur Michael Stolz begegnen sich im Jahr 2017 in der Leporin-Klinik.
  4. Zum Ende des Romans kreuzen sich ihre Lebenswege.

Der historisch als Tarnung vor Schnüfflern entstandene und gewachsene Zwergkaninchenverein (ZKV) ‚Haase‘ e. V., bekannt aus den bereits veröffentlichten Büchern von Balladu, fungiert in diesem Roman durch seine Mitglieder als verbindendes Element in all den geschilderten historisch weit gesplitterten Vorgängen.

 

Demnächst werden in kurzen Zeitabständen Ausschnitte aus einzelnen Kapiteln des Romans hier veröffentlicht werden.

Lochen Sie nicht!

oder

Zur soziologischen Psychologie der Löcher

Kaspar Hauser, Die Weltbühne, 17.03.1931, Nr. 11, S. 389; in: Lerne Lachen

Ein Loch ist da, wo etwas nicht ist.

Das Loch ist ein ewiger Kompagnon des Nicht-Lochs: Loch allein kommt nicht vor, so leid es mir tut. Wäre überall etwas, dann gäbe es kein Loch, aber auch keine Philosophie und erst recht keine Religion, als welche aus dem Loch kommt. Die Maus könnte nicht leben ohne es, der Mensch auch nicht: es ist beider letzte Rettung, wenn sie von der Materie bedrängt werden. Loch ist immer gut.

Wenn der Mensch ›Loch‹ hört, bekommt er Assoziationen: manche denken an Zündloch, manche an Knopfloch und manche an Goebbels.

Das Loch ist der Grundpfeiler dieser Gesellschaftsordnung, und so ist sie auch. Die Arbeiter wohnen in einem finstern, stecken immer eins zurück, und wenn sie aufmucken, zeigt man ihnen, wo der Zimmermann es gelassen hat, sie werden hineingesteckt, und zum Schluß überblicken sie die Reihe dieser Löcher und pfeifen auf dem letzten. In der Ackerstraße ist Geburt Fluch; warum sind diese Kinder auch grade aus diesem gekommen? Ein paar Löcher weiter, und das Assessorexamen wäre ihnen sicher gewesen.

Das Merkwürdigste an einem Loch ist der Rand. Er gehört noch zum Etwas, sieht aber beständig in das Nichts, eine Grenzwache der Materie. Das Nichts hat keine Grenzwache: während den Molekülen am Rande eines Lochs schwindlig wird, weil sie in das Loch sehen, wird den Molekülen des Lochs … festlig? … Dafür gibt es kein Wort. Denn unsre Sprache ist von den Etwas-Leuten gemacht; die Loch-Leute sprechen ihre eigne.

Das Loch ist statisch; Löcher auf Reisen gibt es nicht. Fast nicht.

Löcher, die sich vermählen, werden ein Eines, einer der sonderbarsten Vorgänge unter denen, die sich nicht denken lassen. Trenne die Scheidewand zwischen zwei Löchern: gehört dann der rechte Rand zum linken Loch? oder der linke zum rechten? oder jeder zu sich? oder beide zu beiden? Meine Sorgen möcht ich haben.

Wenn ein Loch zugestopft wird: wo bleibt es dann? Drückt es sich seitwärts in die Materie? oder läuft es zu einem andern Loch, um ihm sein Leid zu klagen – wo bleibt das zugestopfte Loch? Niemand weiß das: unser Wissen hat hier eines.

Wo ein Ding ist, kann kein andres sein. Wo schon ein Loch ist: kann da noch ein andres sein?

Und warum gibt es keine halben Löcher –?

Manche Gegenstände werden durch ein einziges Löchlein entwertet; weil an einer Stelle von ihnen etwas nicht ist, gilt nun das ganze übrige nichts mehr. Beispiele: ein Fahrschein, eine Jungfrau und ein Luftballon.

Das Ding an sich muß noch gesucht werden; das Loch ist schon an sich. Wer mit einem Bein im Loch stäke und mit dem andern bei uns: der allein wäre wahrhaft weise. Doch soll dies noch keinem gelungen sein. Größenwahnsinnige behaupten, das Loch sei etwas Negatives. Das ist nicht richtig: der Mensch ist ein Nicht-Loch, und das Loch ist das Primäre. Lochen Sie nicht; das Loch ist die einzige Vorahnung des Paradieses, die es hienieden gibt. Wenn Sie tot sind, werden Sie erst merken, was leben ist. Verzeihen Sie diesen Abschnitt; ich hatte nur zwischen dem vorigen Stück und dem nächsten ein Loch ausfüllen wollen.

Verfasst von Kurt Tucholsky alias Kaspar Hauser.

 

– 6 – Ede Ceh Fortsetzung

Biologische Kläranlage

Erklärung:

Hauptbestandteile sind:

  1. Vorklärbecken
  2. Belebungsbecken

Die eigentliche biologische Kläranlage besteht dann nachfolgend aus:

3. Nachklärungsbecken

4. Flockungsbecken

5. Nachklärbecken

Kläranlage, z. B.

6. Ablassbecken

Story

„He, wer seit denn ihr drei?“, rief Oberwächter Mik Robe der 1., der zusammen mit Wächter Mik Robe dem 2. und Unterwächter Mik Robe dem 3. zur Wassertorkontrolle am nagelneuen Biobecken eingeteilt worden war. Gleichzeitig richteten alle drei ihre Lanzen auf die in einem dunklen Wasserstrom schwimmenden, ihnen völlig unbekannten Neuankömmlinge. Sie mussten diese Fremdlinge aufhalten, während sie zur gleichen Zeit die vielen anderen Typen durchließen, die ihnen offensichtlich bekannt waren.

„Huch, passt doch auf mit euren Spießen“, sagte der größte, der von den Wächtern Angesprochenen, „ich bin Ede Ceh und die zwee Kleenen hier, die nicht stillhalten können, sind meine Nachkommen Vau Ceh und Ha Ce-el. Und wer seid …“

„Die Fragen hier stellen wir,“ unterbrach Wächter Mik Robe der Zweite, „woher kommt ihr? Und was wollt ihr hier?

Ede Ceh schüttelte vor solcher Unhöflichkeit den Kopf, verzichtete auf eine Antwort, denn im Moment hatte er auch genug damit zu tun seine Verwandten Vau und Ha festzuhalten, damit sie nicht ausreißen konnten. Den aufmüpfigen Vau musste er immer wieder auf den Boden zurückziehen, weil der Vergnügungssüchtige ständig nach oben wegzufliegen gedachte, da er glaubte, dass dort eine große Party lief. Der aggressive Ha hingegen wollte sich auf die Wächter stürzen und diese niedermachen.

Ede fluchte, „immer dieser Ärger mit den Kindern.“

Es wunderte ihn, dass nun ausgerechnet einer von den eigentümlichen grünen Kontrolleuren sagte, „warum gibst du deinem Nachkommen eigentlich nicht die Freiheit? Da oben“ und der Wächter zeigte in Richtung Wasseroberfläche, „befinden sich ohnehin die leichteren Galgenvögel verschiedenster Art.“

„Wenn du meinst. – Aber seht euch vor. Ha Ce-el ist aggressiv, vielleicht halte ich den doch lieber fest.“

Ede Ceh ließ Vau los, sodass dieser wie eine Rakete nach oben abdüste. „Was wird mit Ha und mir? Da kommen noch mehr von unserer Sorte, alles die gleichen Mol Ekühle.“

„Keine Ahnung“, Unterwächter Mik Robe der Dritte kratzte sich am grünen Kopf, „da haben uns die da oben wieder einmal nicht informiert und wir können nun sehen, wie wir zurechtkommen.“

Weil der Stau aber immer größer wurde, ließ Ede auch Ha los, worauf dieser sich sofort auf die Torwächter stürzte und diese im Handumdrehen niedermachte. Nun konnten alle Ede Cehs, Vau Cehs und Ha Ce-els in das belebte, ja geradezu brodelnde Becken strömen, in dem sich Tausende der grünen Mik Roben wie verrückt auf und ab bewegten. Die Ha Ce-els tobten ihre Aggressivität aus an diesen ihnen gegenüber wehrlosen Wesen und ätzten einen nach dem anderen zu Tode.

‚Mir egal’, dachte Ede, der sich nun nur noch um sich allein kümmern musste. Mit Interesse beobachtete er, wie von irgendwoher auch noch diese durchsichtigen, blauen Oxygene (O) kamen, die immer als Doppelpack auftraten. Zusammen mit den übriggebliebenen Mik Roben vollführten sie einen tollen Tanz, stürzten sich dabei auf die anderen, ihnen aber offensichtlich bekannten Eindringlinge, um sie zu verspeisen und kurz darauf als Ceh-zwei Oxygen (CO2), Hazwei Oxygen (W) und S. Alz (Salz) wieder auszuscheiden. Schnell merkten Ede Ceh und seine Kollegen, dass die Mik Roben ihnen kaum etwas anhaben konnten, denn wenn die mal aus Versehen einen der Cehs verschluckten, dann wurden die grünen Männchen noch grüner und kurz darauf kotzten sie alles wieder aus. Außerdem hatten die Ha Ce-els schon so gewütet, dass kaum noch welche von ihnen vorhanden waren. Ede schob alles, was ihm in den Weg kam einfach beiseite oder, wenn einer versuchte sich an ihm festzuklammern, zog er diesen mit sich in das nächste, wesentlich ruhigere Becken. Manche Ede Cehs setzten sich hier allein oder mit mehreren von den an sie geklammerten Mik Roben am Boden im Schlamm ab, aber die meisten strömten ungehindert weiter in das nächste Becken, wo es wieder lebendiger zuging.

„Vorsicht“, schrie eins der Mol Ekühle, doch es war schon zu spät. Ede bekam einen Schlag vor den Ballon, dass er glaubte Sterne zu sehen, doch das waren nur die kleinen Fällmittel Teilchen, die von oben in das Becken rieselten.

„Was war denn das? Wo kommen denn hier die Balken her?“ brüllte er aufgebracht, als er auch schon wieder einen dunklen Schatten auf sich zukommen sah. Doch dieses Mal war er schneller und duckte sich weg, sodass der Balken über ihn hinweg schwebte.

„Ede, hier musst du wieder raus“, sagte er laut und sah sich nach dem Ausgang um. Er drängelte sich an den plötzlich vorhandenen Flocken vorbei und gelangte in das nächste, nun wieder völlig ruhige Becken. Je tiefer er hier eindrang umso sauberer und damit heller wurde das Wasser. Ede Ceh legte sich auf den Rücken, sah in die Sterne, denn inzwischen war es Nacht geworden und träumte von Kata F aus der Familie der Katalysatoren ohne den Ede gar nicht auf dieser Welt wäre. Leider war es ihm nicht bestimmt gewesen sich in seine Nachkommen Vau Ceh und Ha Ce-el zu verwandeln. Doch er bedauerte sein Schicksal nicht, hatte es ihn doch ziemlich weit gebracht. So in Gedanken versunken merkte er gar nicht, dass er bereits in die Saale gelangt war.